Jedes Menschenleben soll heilig sein

Veröffentlicht am 09.05.2017 in Veranstaltungen

AK Labertal und Seliger Gemeinde mit MdL Ruth Müller (5.re.) und Christian Ude 4.vli.) beim Eisner-Geburtstagsfest im Maximilianeum

 

Kurt Eisner - Schriftsteller, Pazifist, Philosoph und ersten Bayerischer Ministerpräsident

Am 14. Mai 2017 wäre Kurt Eisner 150 Jahre alt geworden. Die LandtagsSPD lud zu einer Matinée im Maximilianeum ein

 „Bayern ist fortan ein Freistaat“: Mit diesen großen Worten besiegelte Kurt Eisner am 8. November 1918 den Umsturz von der Monarchie zur Republik. Einen Tag zuvor fand auf der Münchner Theresienwiese eine Massenkundgebung statt, von dort aus zog Eisner gemeinsam mit Ludwig und Carl Gandorfer zu den Münchner Kasernen und übernahm nach und nach, aber ohne Blutvergießen, die Macht. Die Monarchie war abgesetzt – und der Sozialist und Revolutionär Kurt Eisner wurde der erste Ministerpräsident Bayerns. Am 14. Mai hätte er seinen 150. Geburtstag gefeiert. Die SPD-Landtagsfraktion nutzte diese Gelegenheit, um im Maximilianeum bei einer Matinée an den Schriftsteller, Journalisten und Politiker zu erinnern. Im vollbesetzten Senatssaal trafen sich auch Mitglieder des SPD-Arbeitskreises Labertal und der Seliger Gemeinde. Professor Ferdinand Kramer vom Institut für Bayerische Geschichte und Münchens Alt-Oberbürgermeister Christian Ude ließen den Jubilar für die Zuhörer in einer wissenschaftlichen Betrachtung und in einer kurzweiligen Festrede wieder lebendig werden. Das Martina-Eisenreich-Quintett umrahmte die Feier mit faszinierender Musik.

„Caféhaus-Literat, Wirrkopf, Utopist, der an der Realität gescheitert ist“ – so nannten seine gemäßigten Kritiker Kurt Eisner schon zu Lebzeiten. Für die rechte Presse war er ein „jüdischer Bolschewist“. Konservative, Marxisten und sogar viele SPD-Mitglieder standen ihm ablehnend gegenüber.  Auch nach dem Zweiten Weltkrieg tat man sich in Bayern lange Zeit schwer mit einer Würdigung Eisners in Form eines Denkmals. Im Landtag gab es emotionale Debatten darüber und im Schulunterricht wurde seine Person nur sporadisch behandelt. „Erst jetzt ist Zeit für eine wahrhaftige Bewertung“, hofft der Fraktionschef der Landtags-SPD, Markus Rinderspacher, der eine aktuelle Position der Staatsregierung vortrug, die den bisherigen bissigen Anfeindungen aus den Reihen der CSU entgegensteht: „Die Rolle Kurt Eisners bei der Beendigung des Ersten Weltkrieges, beim Ende der Monarchie und der Einführung einer demokratischen Verfasstheit in Bayern, beim Bemühen, den künftigen deutschen republikanischen Bundesstaat föderal auszugestalten und bei der Bereitschaft, auch die (Mit-)Verantwortlichkeit des Deutschen Reiches beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges als Grundlage für eine neue Friedensordnung in Europa anzuerkennen, werden von der Staatsregierung außerordentlich positiv bewertet.

Hinzu kommt die Tatsache, dass Eisner als Intellektueller (vor allem orientiert an Immanuel Kant), mit seinem jüdischen (familiären) Hintergrund und als Pazifist (zumal als Zeitgenosse der Blutbäder des Ersten Weltkrieges) wie durch seine Ermordung als amtierender Bayerischer Ministerpräsident am 21. Februar 1919 zu einer Symbolgestalt für aufgeklärt-demokratische Kräfte gegenüber den chauvinistisch-antisemitischen wurde, in deren späterer Konsequenz auch die Barbarei des NS-Regimes in Bayern und Deutschland steht.

Es liegt nahe, dass die historische Rolle Kurt Eisners, insbesondere bei der Proklamation des bayerischen Freistaates in der Nacht zum 8. November 1918, vor allem im Zusammenhang mit den zentralen bayerischen Jubiläumsfeierlichkeiten des Jahres 2018 („100 Jahre Freistaat Bayern“) gewürdigt werden wird“. Scheinbar vertritt die Staatsregierung kurz vor dem 100. Jahrestag der Revolution nun doch noch die Auffassung, dass der Rolle Kurt in angemessener Weise Rechnung getragen werden muss, so die Vermutung Rinderspachers. Sein 150. Geburtstag dieses Jahr sei ein geeigneter Anlass, uns an Kurt Eisner und seine großen Errungenschaften für Bayern zu erinnern.

Die Persönlichkeit Eisners wird auch heute noch von unterschiedlichen Interessengruppen vereinnahmt. Wird er einerseits als Idealist und Utopist abgetan, so loben ihn andere als fortschrittlichen Mann der Tat.

 

 „Bayern ist fortan ein Freistaat!“

Kurt Eisner war Humanist, Sozialist, Revolutionär und Ministerpräsident – und wurde noch Jahrzehnte nach seiner Ermordung verleumdet! Christian Ude würdigte ihn zum 150. Geburtstag.

„Es ist schon verrückt und obendrein zum Verrücktwerden: Wir Bayern sind zwar maßlos stolz auf unseren Freistaat und unsere Demokratie – aber der Mann, der den Freistaat revolutionär ausgerufen und die Demokratie eingeführt hat, ist weitgehend unbekannt und wurde noch Jahrzehnte nach seiner Ermordung in übelster Weise verleumdet. Ja, wenn er die Monarchie eingeführt hätte, wäre er immer noch einer der ganz Großen und sein Lebenslauf würde allen Schülern Bayerns eingetrichtert. Aber die Demokratie? Wer will denn so was? Mitten in Bayern?

Der Münchner Sozialreferent Hans Stützle, der vorher Vorsitzender der CSU im Münchner Stadtrat gewesen war und den ich wegen seines sozialen Engagements sehr schätzte, erzählte mir einmal, er sei  in seinem ganzen Leben nie so beschimpft, bedroht und angepöbelt worden wie in den 70er Jahren, als er der Benennung einer Straße in Neuperlach nach Kurt Eisner zugestimmt hatte. Da habe er erst gemerkt, wie viel Hass und Unversöhnlichkeit es damals immer noch gab.

In den 80er Jahren war es nicht anders. Als ein Denkmal in dieser Straße vorgeschlagen wurde, begründete die CSU im Bezirksausschuss ihr Nein damit, dass Eisner, der im Februar 1919 ermordet wurde, für hunderte Tote im Mai 1919 verantwortlich gewesen sei, obwohl in Wirklichkeit fast alle Opfer des „weißen Terrors“ waren, der die Roten aus der Stadt vertreiben sollte. Im Landtag wurde argumentiert, der Herr heiße in Wahrheit Salomon Kosmanowsky (eine freie Erfindung der Nazipropaganda, die den jüdischen Berliner Kaufmannssohn in einen Juden aus Galizien verwandeln wollte) und habe im April ein Glückwunsch-Telegramm an Lenin geschrieben. Nur war Eisner da bereits zwei Monate tot“.

 

Doch wer war dieser Kurt Eisner, der mit großem Mut und dem richtigen politischen Gespür im November 1918 die bayerische Revolution gegen das Wittelsbacher Königshaus anführte und den „Freistaat" Bayern ausgerufen hat?

Der gebürtige Berliner Kurt Eisner arbeitete nach seinem Studium als Journalist u.a. für die Frankfurter Zeitung. Eisner wurde von Wilhelm Liebknecht, dem Chefredakteur des SPD-Zentralorgans Vorwärts im Spätsommer 1898 als Redakteur der Zeitung angeworben und trat im Dezember desselben Jahres in die SPD ein. Aufgrund zeitkritischer Betrachtungen in einer Berliner Zeitschrift wurde er – noch als Feuilletonredakteur – in einem Prozess wegen Majestätsbeleidigung zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. 1907 wechselte er zunächst nach Nürnberg, 1910 kam er nach München. Als Eisner Berlin verließ, war seine Ehe bereits zerrüttet; seine Ehefrau Elisabeth blieb mit den Kindern zurück.

In München wohnte Eisner, entgegen den Gepflogenheiten der Zeit, unverheiratet mit Else Belli zusammen. 1917 heirateten sie nach der Scheidung von seiner ersten Frau. Das Ehepaar hatte zwei Töchter.

Ab 1910 arbeitete Eisner als freier Mitarbeiter der Zeitung Münchner Post und publizierte in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften als Schriftsteller, Journalist und Theaterkritiker: Nun strebte er nach Unabhängigkeit, die er in den SPD-Zeitungen ebenso wenig gefunden hatte wie zuvor in der bürgerlichen Presse. Dazu gründete er seine eigene Agentur, eine Pressekorrespondenz unter dem Titel Arbeiter-Feuilleton, die sozialdemokratische Parteiorgane, vor allem die zahlreichen kleineren Blätter, mit Feuilletonartikeln versorgte, welche auf diesem Wege weite Verbreitung fanden.

Durch seine feuilletonistische Arbeit kam er verstärkt in Kontakt mit dem damals breit gefächerten Münchner Künstler- und Intellektuellenmilieu. Er blieb bis 1917 weiterhin politischer Mitarbeiter der SPD, betrieb Wahlkampf, äußerte sich zu Bildungsfragen und auf außenpolitischem Gebiet.

1918 organisierte Eisner, ein kleiner Mann mit schütterem Haar, einem Kneifer auf der Nase und einem rötlichen Vollbart, in dem sich die ersten grauen Streifen zeigten,  im Januar den Munitionsarbeiterstreik in München und wurde deshalb neun Monate inhaftiert und kam erst kurz vor Ausbruch der Revolution im Oktober 1918 als nominierter Spitzenkandidat der Münchner USPD für die Reichstagswahlen aus der Untersuchungshaft frei. Daraus resultierte dann eines der Klischees der Anti-Eisner-Propaganda: der Landesverräter. „Landesverräter“, „Novemberverbrecher“ – das Vokabular der Nationalsozialisten wurde von der Justiz vorgegeben.

Die Lage in München und Bayern hatte sich im Verlauf der Kriegsjahre erheblich verschärft: Immer mehr tote, verstümmelte oder verletzte Söhne mussten beklagt werden, die Versorgungslage war katastrophal, die Reallöhne sanken rapide, was auch die Handel

und Gewerbetreibenden schmerzte, in München kam es zu einer Hungerdemonstration von Frauen, die Bauern ächzten unter den staatlich festgesetzten Zwangsabgaben. So wurden aus früheren Staatstreuen mehr und mehr Staatsverneiner. Die Soldaten der Münchner Garnison hatten keine Lust mehr, sich auf den Schlachtfeldern eines längst verlorenen Krieges verheizen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt war Eisner schon lange zu einer Leitfigur der Münchner Kriegsgegner geworden und trat im Landtagswahlkampf offen gegen die noch immer kriegswillige SPD unter Führung von Erhard Auer auf. Eisner traf er sich mit den Brüdern Karl und Ludwig Gandorfer, zu denen er schon seit längerer Zeit persönliche freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Der eine Bruder war Mitglied der linken USPD, der andere beim linken Flügel des Bauernbundes. Mit ihnen kam er überein, dass nach der Revolution der Bauernbund die Versorgung der Großstadtbevölkerung mit Lebensmitteln organisieren müsse, damit die Revolution keinen Rückschlag erleide.

In Bayern gab am 2. November 1918 König Ludwig III. einen Erlass über die schon länger geforderte Neuordnung der Regierung auf parlamentarischer Grundlage heraus. Am 3. November forderte Kurt Eisner bei einer Kundgebung der USPD auf der Münchener Theresienwiese zum Sturz der Monarchie und zur Revolution auf. Bei einer nächtlichen Wahlversammlung der USPD auf der Theresienwiese am 5. November gab er die feste Zusage, dass in München innerhalb der nächsten 48 Stunden die revolutionäre Erhebung stattfinden wird. Polizei und Regierung rechneten nicht mit dem großen Einfluss, den Eisner und seine Genossen auf die Menschen hatten, sie hinderten deren Aktivitäten nicht.

Am 6. November zog das Kabinett den Landesvorsitzenden der SPD, Erhard Auer, zu seiner Sitzung hinzu. "In der inneren Politik stehe ich auf dem Standpunkt", bekundete Auer, "daß die Überführung des Obrigkeitsstaates in den Volksstaat gesetzlich und auf dem Verwaltungswege verankert werden muß." Und so sollte auch das Acht-Punkte-Programm, das auf der Theresienwiese verlesen wurde, nicht durch ein Volksgericht erzwungen, sondern von der bayrischen Regierung genehmigt werden. Dann gab Auer die wirklich fabelhafte Fehleinschätzung ab: "Reden Sie doch nicht immer von Eisner ... Es geschieht gar nichts." Auf diese Einschätzung, immerhin des bayerischen SPD-Landesvorsitzenden, hat sich die Landesregierung dann verlassen. Nun geschah doch etwas, was die Mehrheitssozialdemokraten nicht mehr in der Hand hatten. An der Nordwestecke der Theresienwiese sammelte Eisner seine Gefolgschaft und verkündete, nun sei die Zeit zum Handeln gekommen.

Die "Münchener Post" empfand: "Heute ist der Tag des Schicksals und des Volksgerichts." Und so war es auch, obgleich Bayerns Sozialdemokraten das nicht wollten.

Am 7. November führte Eisner im Anschluss an eine Massenkundgebung auf der Theresienwiese Arm in Arm mit dem linken Flügel des Bayerischen Bauernbundes unter Führung von Ludwig Gandorfer einen großen Demonstrationszug zunächst zur Münchner Garnison der Reichswehr und von dort ins Stadtzentrum an. Um 19 Uhr musste der Kriegsminister Philipp von Hellingrath „eingestehen, er sei in München völlig machtlos, nicht ein einziger Truppenteil in München stehe ihm mehr zur Verfügung“.

Der Pfaffenberger Ludwig Gandorfer war an Eisners Seite, als dieser am 7. November 1918 auf der Münchner Theresienwiese vor geschätzt 100.000 ( bis 200.000) Zuhörern die Revolution in Bayern ausrief. Gandorfer versprach, das Landvolk werde die Arbeiter nicht im Stich lassen.

Bereits um 19 Uhr erklärte Kriegsminister Philipp Freiherr von Hellingraht im Ministerrat, er habe in München keine Truppe mehr zur Verfügung. Eine Stunde später endete die 738 Jahre alte Herrschaft der Wittelsbacher: Der König und seine Familie verließen heimlich die Stadt. Durch den Übertritt der Münchener Garnison auf die Seite der Revolutionäre um 21 Uhr hatte das alte Regime in der Hauptstadt das letzte und äußerste Mittel zur Ausübung der staatlichen Gewalt an die revolutionäre Bewegung verloren.

 

Nach dem Umsturz proklamierte Eisner den Freistaat Bayern und wurde dessen erster Ministerpräsident.

Am Abend des 7. November wurden zwei Soldaten mit Gewehr und Proklamation zu den „Münchner Neuesten Nachrichten“ geschickt und haben dort tatsächlich in der Setzerei erzwungen, dass der Revolutionsaufruf riesengroß auf der Titelseite erscheint. Zur SPD-Zeitung „Münchner Post“, deren Mitarbeiter Eisner lange war, hat man nur den Text geschickt und keine Soldaten. Das war ein Fehler. Auf der Titelseite dieser Zeitung stand am 8. November groß und breit der Aufruf des SPD-Vorsitzenden Erhard Auer: „Die gestrige Kundgebung hat sich ohne unser Zutun zu einem politischen Willensakt gesteigert ... Und nicht vergessen: Nichts getan ohne Parole der Parteileitung!“ Das war der Aufmacher: Ruhe bewahren! Rechts daneben eine kleine Meldung über die Revolution: „Bayern ist fortan ein Freistaat“, stand da zu lesen, und dass künftig auch Frauen wählen dürfen. Und so großartige Sätze wie: „In dieser Zeit des sinnlos wilden Mordens verabscheuen wir alles Blutvergießen. Jedes Menschenleben soll heilig sein! ... Es lebe die bayerische Republik! Es lebe der Frieden!“

Eisner bildete kurz darauf ein Regierungskabinett aus Mitgliedern der SPD und der USPD, in dem er neben seinem Amt des Regierungschefs auch den Posten des Außenministers einnahm. Am 12. November entband Ludwig III. die bayerischen Beamten und Soldaten vom Treueid auf den König und stellte damit den Fortgang der Verwaltung sicher. Die monarchistischen Beamten behielten im Wesentlichen ihre Stellungen und verhielten sich abwartend.

Der als Pazifist, Idealist und unbequemer Querulant charakterisierte Kurt Eisner leitete nach der Revolution die neue Regierung der Bayerischen Republik und legte ein reformorientiertes Programm vor: Die Einführung des ersten Frauenwahlrechts in Deutschland, des Achtstunden-Arbeitstags und einer Arbeitslosenversicherung gehen auf ihn zurück. Die Banken sowie die großen Industrie- und Wirtschaftsunternehmen blieben unter der Regierung Eisners jedoch unangetastet. Ihre zunächst geplante Sozialisierung wurde aufgeschoben.

Kurt Eisner war im Kabinett zur Zusammenarbeit mit der Mehrheitssozial-demokratischen Partei bereit, die dessen politische Ziele jedoch nur sehr bedingt akzeptierte und auf baldige Neuwahlen zum Bayerischen Landtag und zur Nationalversammlung drängte. Gleichzeitig brachte er mit seinen außen- und friedenspolitischen Vorstellungen und Aktivitäten bürgerlich-konservative und politisch stark rechts stehende Gruppierungen gegen sich auf. Sein Kultusminister Johannes Hoffmann (SPD) schaffte die geistliche Schulaufsicht ab. Die katholische Kirche betrachtete das als Affront. Nicht nur wegen dieser Maßnahme war der Monarchist Erzbischof Michael von Faulhaber erklärter Gegner der Revolution. Nicht nur dies schwächte die Position Eisners, auch die Veröffentlichung von Geheimakten, die die Kriegsschuld Deutschlands beweisen sollten. Viele Bürger sahen in ihm deswegen einen "Verräter" und wandten sich von ihm ab. Eisner, der eine separatistische Politik verfolgte, wollte jedoch bei den Siegermächten einen günstigeren Friedensvertrag für Bayern erwirken. "Es bedrängt mich eine trübe Ahnung, als ob sich mein Schicksal bald vollenden könnte, aber ich kann nicht anders. Ich könnte niemals mehr frei atmen, wenn ich nicht täte, was ich für meine Pflicht halte", so Kurt Eisner am 10. Januar 1918 in einem Brief an seine Frau

In der Gesellschaft hatte er aufgrund vieler Gegner wenig Rückhalt: Bei der Wahl im Januar 1919 erhielt Eisners USPD nur 2,5 Prozent der Stimmen. Stärkste Partei mit 35 Prozent wurde die erst am 12. November 1918 gegründete Bayerische Volkspartei (BVP) ), die zusammen mit rechtsnationalistischen Kreisen eine auf die Person Eisners ausgerichtete antisemitische  Diffamierungskampagne gegen die „jüdisch-bolschewistische“ Revolution in der Hauptstadt ausgelöst hatte. Darauf folgte die SPD mit 33 Prozent, der Bauernbund kam auf 9 Prozent. Aber er war Demokrat genug, dieses Ergebnis zu akzeptieren, obwohl er ja mit der Hilfe von Arbeiter- und Soldatenrat und den Soldaten in den Kasernen die Ergebnisse auch hätte abstreiten können.

 

Eisners Ermordung

Eiseners politische Karriere endete tragisch: Nach dem schlechten Wahlergebnis wollte er zurücktreten – und wurde am 21. Februar 1919 auf dem Weg in den Landtag, auf offener Straße vom antisemitischen Nationalisten und Burschenschaftler Anton Graf von Arco ermordet – das Signal für die Ausrufung der zweiten Münchner.

Die Novemberrevolution war relativ friedlich abgelaufen, nun erfolgte die Radikalisierung in einem zweiten Revolutionsversuch, der im April/Mai 1919 blutig von den Weißen Truppen niedergeschlagen wurde: ca. 1000 Tote waren in München zu beklagen, besonders in Arbeitervierteln wie Giesing, kam es zu bürgerkriegsartigen Schlachten. Viele spätere Nazi-Karrieren begannen hier bei den Weißen Truppen. Es ist wahr, dass jetzt auch „rotes“ Unrecht begangen wurde, dass jetzt auch kommunistische Lehren verkündet wurden und Gewalt zur Anwendung kam. Aber dies war, wie gesagt, alles nach Eisners Ermordung.

Nach dem blutigen Ende dieser relativ kurzen rätesozialistischen Periode in der bayerischen Geschichte, die mit Eisners Ermordung begonnen hatte, entwickelte sich Bayern zu einer konservativ-reaktionären „Ordnungszelle“ innerhalb des deutschen Reichs während der Weimarer Republik. In München begann in den 1920er Jahren, begünstigt durch eine nach der Revolution verbreitete antikommunistische und antisemitische Stimmungslage in der Öffentlichkeit, auch der politische Aufstieg Adolf Hitlers und seiner NSDAP.

Der Attentäter Graf Arco-Valley wurde fast ein Jahr nach der Tat des Mordes angeklagt. Der Richter Georg Neithardt erklärte in der Urteilsbegründung, in der der Mörder nicht nur gewürdigt, sondern regelrecht gefeiert wurde,dass die Tat „nicht niederer Gesinnung“ entsprungen sei, sondern „glühender Liebe zum Vaterland“ - also mehr Patriotismus kann man gar nicht beweisen, als einen demokratisch eingestellten Ministerpräsidenten über den Haufen zu schießen.

Dieses Eisnerbild, das sein Mörder auf einer kurz vor dem Attentat verfassten Notiz erkennen ließ, prägte das herrschende Bild der ersten Jahre nach Eisners Tod: Als Jude und angeblicher Bolschewist wurde er für alle Gegner der Revolution immer mehr zu deren Inbegriff. Im nachrevolutionären München, einem Tummelplatz antidemokratischer, rechtsextremer Kräfte, wurde Eisners Mörder zum Helden stilisiert, der NSDAP galt er – trotz seiner jüdischen Mutter – als „Held der Bewegung“.

Trotz dieser im Grunde mit den Motiven des Mörders sympathisierenden Richteraussage wurde gegen Arco vom Gericht am 16. Januar 1920 das Todesurteil ausgesprochen. Die Bayerische Landesregierung begnadigte ihn allerdings bereits am darauffolgenden Tag aufgrund des Richtervotums bezüglich Arcos Motiven zu lebenslanger Festungshaft in Landsberg am Lech, aus der er im Zuge einer Amnestierungswelle im April 1924 entlassen wurde. Im Oktober 1927 folgte die endgültige Begnadigung. Dieses Urteil stammt von einem Richter, Georg Neithardt, der dann noch einmal bayerische Rechtsgeschichte schreiben durfte, mit noch schlimmeren Folgen. Er war derjenige Richter, der unter klarem Rechtsbruch, mit klarer Rechtsbeugung Hitler nach seinem Putsch im November 1923 hat so glimpflich davonkommen lassen, obwohl zwingendes Recht eine schärfere Verurteilung verlangt hätte. Dieser Georg Neithardt ist also wirklich eine Schande der bayerischen Justizgeschichte.

Viele hatten bei den letzten Wahlen Kurt Eisner und seine Partei, die USPD, vielleicht nicht gewählt, doch dass mit Kurt Eisner eine aufrechte Demokratengestalt ermordet worden war, machte die meisten Münchner sehr betroffen: ca. 100.000 Menschen nahmen an seinem Begräbnis auf dem Ostfriedhof teil, alle Kirchenglocken Münchens läuteten. Heinrich Mann hielt die Gedenkrede, und er sagte u. a., dass „die Vernunft mehr Belebung der Geister gebracht hat, als die fünfzig Jahre vorher“.

„Die hundert Tage der Regierung Eisners haben mehr Ideen, mehr Freuden der Vernunft, mehr Belebung der Geister gebracht, als die fünfzig Jahre vorher. Sein Glaube an die Kraft des Gedankens, sich in Wirklichkeit zu verwandeln, ergriff selbst Ungläubige“, zitierte Christian Ude Heinrich Mann in seiner Gedächtnisrede anlässlich der Trauerfeier für Kurt Eisner im Münchner Odeon am 16. März 1919.

Die SPD und Kurt Eisner

Doch auch die SPD war nicht immer stolz auf Kurt Eisners Lebenswerk – weil er sich 1917 mit der „Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ (USPD) von der Partei abgespalten hatte. Entgegen der Mehrheit in der SPD vertrat er die Auffassung, dass Deutschland die alleinige Schuld am Ersten Weltkrieg trage. Zunächst hatte zwar auch er den Krieg befürwortet und den Kriegskrediten zugestimmt, bald entwickelte er sich aber zum überzeugten Pazifisten. Dabei fand er in der SPD keinen Rückhalt, da diese sich dem sogenannten „Burgfrieden“ der Parteien als Stillhalteabkommen mit der Reichsregierung angeschlossen hatte. Als scharfer Kritiker der Kriegspolitik im Ersten Weltkrieg begründete Eisner in Bayern die USPD mit und wurde deren Vorsitzender.

In der Ausgabe SPD-Zeitung „Münchner Post“ vom 8. November 1918 ist im Grunde genommen die ganze Tragik abzulesen: Die Mehrheitssozialdemokratie wollte mit Eisners Revolution und auch mit ihm nichts zu tun haben. Er konnte sich nur auf den Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat stützen. Eisner ist niemals von der Sozialdemokratie insgesamt als eigener Repräsentant anerkannt worden, auch im Nachhinein nicht. Die Spaltung, die vordergründig nur eine zwischen MSPD und USPD war, ging auch in den folgenden Jahrzehnten weiter.

Die Kommunisten wiederum haben Eisner, den undogmatischen Sozialisten und großen Humanisten, verachtet, weil er ihnen als naiver Träumer ohne Machtbewusstsein erschien.

 

Späte Würdigung

Erst seit 2011 erinnert ein gläsernes Denkmal am Oberanger an den überzeugten Antimonarchisten und Republikaner. Weithin lesbar steht darauf das Eisner-Zitat: „Jedes Menschen Leben soll heilig sein.“ Ein stilisiertes Einschussloch ruft den heimtückischen Mord in Erinnerung.

Das Zitat „Jedes Menschenleben soll heilig sein“ unterstreicht nicht nur seine überragende Humanität, sondern weist ihn auch als Vordenker friedlicher Revolutionen aus, wie wir sie im 20. Jahrhundert zum Glück auch noch erleben durften.

Seine Botschaft aber hallt nach, gerade in der heutigen Zeit, in der in Europa die Rechtspopulisten auf dem Vormarsch sind: „Wir müssen gemeinsam arbeiten für einen Kontinent des Friedens, der Versöhnung und des Zusammenhalts.“

 

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