Polenkinderlager Laberweinting

Veröffentlicht am 21.01.2017 in Allgemein

„Rosalie“ ein Stück dunkle Ortsgeschichte (Münchner Abendzeitung)

Ein wunderbarer Roman über die erste Liebe, Schatten der Vergangenheit und das leben als Jugendlicher in einer ländlichen Gesellschaft Ende der achtziger Jahre. Berni Mayer zeichnet in "Rosalie" das Bild einer bayerischen Dorfjugend in den Achtzigerjahren, das seinem eigenen Aufwachsen nicht unähnlich sein dürfte: Zwei Teenager kommen einander näher und machen gemeinsam einen grausigen Fund im örtlichen Wasserschloss – und entdecken etwas noch Grausigeres, das tief in die dunkle Vergangenheit des Dorfes hineinreicht und über das die Dorfbewohner schweigen. So kommt zur Liebes- auch ein Stück Lokalgeschichte. Denn die Geschichte, die hinter diesem Toten steckt, führt tief hinein in die Vergangenheit und offenbart die Verstrickung der alteingesessenen Dorfbewohner in ein sorgfältig verdrängtes NS-Verbrechen. Am Ende müssen Konstantin und Rosalie sich entscheiden: für jeweils eine Seite und für oder gegen das Schweigen. Zusammen führen sie dem Dorf vor Augen, welch menschenverachtenden Zweck das Schloss während des Dritten Reiches hatte.

Einzelheiten über das NS-„Polenkinderlager“ in Laberweinting sind erst vor wenigen Jahren durch den SPD-Arbeitkreis Labertal an die Öffentlichkeit gelangt („Die toten Engel von Laberweinting“). Die Säuglinge von osteuropäischen Zwangsarbeiterinnen sollten in diesem Lager „verwahrt“ werden – und kamen dabei dutzendfach ums Leben. Berni Mayer verankert seine Provinzgeschichte durch diesen Hintergrund hart in der Realität.

Dazu Berni Mayer: „Die vergessene Geschichte eines Massenmords, ein vertuschtes und  verschlamptes NS-Verbrechen. Die Nachforschungen dazu (die vom SPD-Arbeitskreis Labertal vorgenommen wurde) habe ich mehr oder minder versehentlich vor ein paar Jahren angestoßen, nachdem ich bei einer Recherche über Nazi-Erziehungsheime auf einer Website die Karte unserer Umgebung entdeckte, meinen Vater anrief und fragte, ob er was weiß. Das war der erste Dominostein, und bis heute fallen noch ein paar vereinzelte deswegen um“.

Bernhard Berni Mayer

wurde 1974 in Mallersdorf geboren, wuchs im benachbarten Grafentraubach auf und lebt heute mit seiner Familie in Berlin. Er war Online-Chefredakteur der Musiksender MTV und Viva, er ist Musiker, Blogger und Übersetzer. 2012 bis 2014 erschien seine dreibändige Krimireihe um den arbeitslosen Musikjournalisten und Detektei Erben Max Mandel (Heyne Hardcore). ›Rosalie‹ ist sein literarisches Debüt.

Den Roman „Rosalie“ von Berni Mayer gibt es überall im Buchandel

Die Dokumentation „Die toten Engel von Laberweinting“ kann für einen Unkostenbeitrag von 6 Euro beim SPD-AK Labertal unter rainer.pasta@freenet.de bestellt werden.

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Umsetzung der Geschichte des Polenkinderlagers in Laberweinting im Roman „Rosalie“ von Berni Mayer, der das Geschehen ins „Wasserschloss nach Praam“ verlegt hat. (Auszüge aus dem Roman)

 

Joseph Herrlich hatte die Geschichte mit den Fremdarbeitern wirklich geglaubt, wie Mansfeld mir gegenüber behauptete. Zumindest fürs Erste. Denn seit der Besetzung Polens waren schließlich jede Menge Gastarbeiter auf die umliegenden Höfe und Betriebe verteilt worden, vor allem Frauen. Es ging damals ein Gerücht um, dass man viele davon einfach aus polnischen Kinos und Gottesdiensten weggefangen hatte. Den Ehemännern und selbst den Kindern hatte man die Ausreise nicht gestattet, die Frauen waren alleine herverpflanzt worden, sie wohnten bei den Bauern und Handwerksbetrieben, für die sie arbeiteten.

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Herrlich hatte hin und wieder Briefe über bauliche Maßnahmen im Schloss erhalten. In einzelnen Räumen waren Zwischenwände eingezogen und Decken mit Heraklith-Dichtung verstärkt worden, denn der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz hatte bestimmt, dass die Arbeiterunterkunft im Schloss zu einem Kinderheim umfunktioniert wurde, das auch eine Entbindungsstation umfasste. Als Chefarzt wurde ein gewisser Dr. Ernst Bader aus Rottenburg eingesetzt.

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»Ich weiß von Zwangsüberstellungen von Säuglingen in Ihr Schloss«, sagte der Hermann in der Geschichte vom Mansfeld. »Viele der polnischen Gastarbeiterinnen hier im Landkreis sind Mütter von Säuglingen oder sind schwanger. Meist lassen die Mütter sich nichts anmerken, arbeiten weiter auf dem Feld, damit es nicht zur Leibesfruchtwegnahme kommt, wie die Partei das ausdrückt. Die Väter bleiben fast immer anonym.«

»Wo waren die Säuglinge bisher?«, fragte ihn der Herrlich.

»Im Klostersanatorium. Deshalb weiß ich auch von den Überstellungen.«

»Die Schwestern haben sich bis letztes Jahr um die Säuglinge gekümmert, sie mit dem Notwendigsten versorgt und dann den Müttern zurückgegeben. Aber im Frühjahr wurden auf Geheiß vom Landrat fast dreißig Kinder, die Hälfte davon Säuglinge, an ein neues Pflegeheim überstellt. Ihr Schloss in Praam«, sagte der Hermann.

»Mit der Überstellung starben um die zwanzig Kinder. Etliche noch am selben Tag, die anderen spätestens zwei Wochen danach. Die Schwestern haben mir das bestätigt, sie waren mit den Müttern in Kontakt. Sie haben mir versichert, dass die Kinder zum Zeitpunkt der Überstellung in einem guten  Gesundheitszustand waren. Aus dem ganzen Landkreis kommen jetzt wöchentlich Kinder dazu. Das weiß ich genau, weil die meisten Arbeiterinnen bei mir in die Kirche gehen. Per Dekret gibt es nur einen Sondergottesdienst für die Polen im Umkreis, und den halte ich. Die Frauen haben mir gesagt, dass ihnen die Kinder einfach weggenommen werden. Ich merke ja, wenn eine schwanger ist, aber am Ende nie mit einem Kind unterwegs. Die meisten sehen ihre Kinder nie wieder, müssen aber eine Reichsmark pro Tag von ihrem Feldlohn abgeben, um die Betreuung ihrer Kinder mitzufinanzieren, ohne zu wissen, ob sie überhaupt noch am Leben sind. Ich kenne eine Schwester, die das Schloss öfter besucht hat. Die sich um die Kinder gesorgt hat. Sie hat mir das erzählt. Von den Exkrementen der Kinder, Läusen, Krankheiten. Herr Herrlich«, sagte der Hermann in Mansfelds Bericht, »die lassen vorsätzlich Säuglinge und Kleinkinder von Fremdarbeitern verhungern, und manchen Schwangeren zerstückeln sie das Kind noch im Mutterleib.«

 

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