Literatur-Tipps

Niederbayern 1848 - Richard W. Dill

Über die schwierigen Anfänge der Demokratie - die niederbayerischen Abgeordneten in der Pauluskirche
Bayern in den Tagen der Revolution
Die Revolution von 1848 gehört zu den bestens erforschten Perioden der deutschen Geschichte. Schließlich setzte dieses Ereignis eine tiefe Zäsur – mochten die reaktionären Gegenkräfte zunächst auch die Oberhand behalten haben. Vergebens war die Revolution jedoch nicht. Immerhin führte sie zur Wahl einer Nationalversammlung und zur Verabschiedung einer Verfassung. Über das große Ganze hinaus aber sind unsere Kenntnisse aus dieser aufregenden Zeit trotzdem nebulös. Das ist bedauerlich, denn damals wurde das Fundament unseres heutigen freiheitlichen Staatswesens gelegt. Die Grundsätze der Republik, der Demokratie, der freien Wahlen, der Presse- und der Glaubensfreiheit wurden bereits in jener unruhigen Zeit geprägt, obwohl sie noch weitgehend als gotteslästerlich und staatsfeindlich abgestempelt wurden. Einzelne Formulierungen wie etwa das Grundrecht der Freiheit der Person sind sogar fast wörtlich in unser Grundgesetz hineingeschrieben worden.
Der Historiker Richard Dill hat nun einen spannenden regionalgeschichtlichen Blick auf die damaligen Ereignisse geworfen. In seinem neuen Buch schildert er anschaulich, was in diesen aufwühlenden Tagen in Niederbayern vor sich ging. Ausgerechnet dort also, wo Rückständigkeit herrschte und nichts los war, wie viele glauben. Aber gerade deshalb ist Dills Untersuchung höchst aufschlussreich, denn sie räumt mit so manchem Vorurteil gründlich auf. Es ist schon richtig, dass die königstreuen Konservativen auf dem katholischen Land weit überwogen und auch von der Geistlichkeit kräftig unterstützt wurden. Dennoch hat Dill im alten Niederbayern von 1848 fortschrittliche Kräfte gefunden.
Die Honoratioren und die Staatsdiener standen freilich in Treue fest zur Krone und zur Kirche, und sie glaubten zugunsten eines malerischen Bayern auf die deutsche Einheit und auf Grundrechte verzichten zu können. Auch jene elf Männer, die von den niederbayerischen Wählern 1848 in die deutsche Nationalversammlung nach Frankfurt geschickt wurden, waren – bis auf einen – stramm konservativ. Dill stellt aber nicht nur ihre Position dar, sondern er erklärt, wie sich die Wahlen in Niederbayern abspielten und wie sich die Abgeordneten zu Schicksalsfragen der sich bildenden Nation stellten: zur Verfassung, zum Verhältnis von Österreich und Preußen sowie von Staat und Kirche. Dabei wird sichtbar, dass sich die Bayern hinsichtlich der deutschen Nation schwerer taten als andere Stämme, ein Faktum, das bis heute Gültigkeit besitzt.
Dills Untersuchung belegt jedoch auch, dass es in Niederbayern trotz aller Gottesfurcht und Obrigkeitshörigkeit sozialen Wandel, Aufbegehren und Unbotmäßigkeit gab. So lautet denn sein Fazit, dass die Niederbayern so rückwärtsgewandt nicht waren, sondern als frühe Vertreter eines deutschen und freiheitlichen Bayern durchaus unsere Sympathie verdienen. Hans Kratzer
Richard W.Dill, Niederbayern 1848 – Über die schwierigen Anfänge der Demokratie, Lichtung Verlag, 2007, 255 Seiten, 16,80 Euro, ISBN 978-3-929517-82-8.

Quelle: Süddeutsche Zeitung GmbH, München

 

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