Ausstellungshöhepunkt

Veröffentlicht am 16.04.2024 in Allgemein

Begleiteten den Ausstellungshöhepunkt in der evangelischen  Kreuzkirche in Geiselhöring: Pfarrer Ulrich Fritsch (li.), SPD-Ortsvorsitzende Barbara Kasberger (4.v.li.), Ausstellungskurator Andreas Wittner (3.v.li.), Mark Podolskiy, Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde Straubing/Niederbayern (5.vli.), Karin Hagendorn, Sprecherin des SPD-Arbeitskreises Labertal (4.v.re.) und Rainer Pasta, SPD Geiselhöring (2.v.re) sowie die Mitglieder des Kirchenvorstands

 

„Wir alle müssen Rassismus und Antisemitismus entgegenwirken“

Wanderausstellung des FC Bayern München gastiert in Geiselhöring – Kurator Wittner hält Kanzelrede

Am vergangenen Wochenende gastierte die Wanderausstellung „Verehrt. Verfolgt. Vergessen: Opfer des Nationalsozialismus beim FC Bayern München“ in der evangelischen Kreuzkirche in Geiselhöring. Der Ausstellungshöhepunkt in Geiselhöring war am Sonntag mit einer Kanzelrede von Andreas Wittner, Kurator der Ausstellung, und einem Grußwort von Mark Podolskiy, Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde Straubing/ Niederbayern. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen über 130 Vereinsmitglieder, die aus religiösen oder politischen Gründen fliehen mussten, deportiert wurden oder zu Tode kamen.

Pfarrer Ulrich Fritsch erklärte mit Blick auf das Ausstellungsthema in seiner Predigt zum Hirtensonntag, dass die Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament mitten aus dem Leben genommen wurden und nichts beschönigten. Aber sie würden immer einen Blick auf einen Neuanfang wagen. Es sei ein großer Schatz, immer wieder neu anfangen zu dürfen, immer einen Ausweg finden zu können. Mark Podolskiy, Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde Straubing/Niederbayern, sagte in seinem Grußwort, dass man den Opfern ihre Identität zurückgebe, wenn man sie in Erinnerung behalte. Der FC Bayern habe mit der Aufarbeitung der Lebenswege seinen jüdischen Mitgliedern ihre Identität zurückgegeben. Podolskiy bedankte sich für das Engagement der Ausstellungsmacher und dem AK-Labertal, der die Ausstellung in die Region holte und sagte: „Wir alle müssen Rassismus und Antisemitismus entgegenwirken“.

Jede Biographie ist ein Leben, ein trauriges Leben

Kanzelredner Andreas Wittner stellte sich kurz vor und betonte, dass er bei seiner Arbeit im FC Bayern Museum viel mit Erfolgen und Pokalen zu tun habe. Als vor weit über 50 Jahren der Verein seine Geschichte aufzuarbeiten begann, um eine Chronik zu erstellen, standen neben den Toten des Ersten und zweiten Weltkriegs auch sieben Namen von jüdischen Opfern des Nationalsozialismus auf dem Papier – mit dem Zusatz, dass es noch viele weitere gegeben habe. Dies stellte in der deutschen Fußballgeschichte eine große Ausnahme dar. Verantwortlich war der 1950 amtierende Präsident Kurt Landauer. Er war selbst betroffen: er war Jude und Präsident des FC Bayern von 1930 bis 1933 und musste nach der Machtergreifung Hitlers fliehen. 1932 wurde der FC Bayern und sein Präsident für den ersten Gewinn der deutschen Meisterschaft bejubelt – nur neun Monate später wurde er zum Rücktritt gezwungen. Nach dem Krieg und seiner Rückkehr wurde er wieder zum Präsidenten gewählt und hatte die Chronik zu verantworten. Wittner, darauf aufmerksam geworden, wollte wissen, wer die anderen Opfer waren und begann nachzuforschen. Als die Ausstellung 2016 eröffnet wurde, standen 58 Mitglieder auf der zentralen Weltkarte der Ausstellung, nun sind es 130 und aktuell sind 147 Personen bekannt. Mindestens 90 davon konnten ins Ausland fliehen, viele wurden ermordet, weil sie nirgends aufgenommen wurden. Auch das Schicksal Kurt Landauers hing am seidenen Faden. Nur einen Tag später wäre sein Visum nach Kuba abgelaufen und er wäre wie seine vier Geschwister ermordet worden. Allein daraus resultiere unsere Pflicht Flüchtlinge aufzunehmen, so Wittner.

Der Verein hat heute 300.000 Mitglieder, 1933 waren es 1058. Davon waren 12 Prozent Juden, ein Vielfaches des Anteils der Münchner Bevölkerung jüdischen Glaubens, der zwischen 1,5 und 2 Prozent betrug. Für Wittner ein Beweis, dass der FC Bayern nach dem gescheiterten Hitlerputsch und der Gründung der NSDAP in München eine Heimat für jüdische Fußballbegeisterte war, während andere Vereine jüdischen Mitgliedern bereits da wenig Sympathie entgegenbrachten. 1933 übernahm Hitler im Januar die Macht und bereits im April wurde begonnen, den deutschen Sport gleichzuschalten – und viele Vereine schlossen ihre jüdischen Mitglieder aus. Nicht so der FC Bayern, der erst 1935 den Arierparagraphen in seine Statuten übernahm, dessen letztes jüdisches Mitglied aber erst 1938 nach Frankreich floh, als die Nürnberger Rassegesetze in Kraft traten. Hintergrund war, dass der FC Bayern nie die Religionszugehörigkeit seiner Mitglieder erfasst hatte. Eine eidesstattliche Erklärung, die umgehend erbracht werden sollte, wurde nur sehr zögerlich und dann nur von 40 Prozent der Mitglieder abgegeben“, wusste Andreas Wittner zu berichten .

Jeder verdient es, geehrt und geachtet zu werden

Auch nach dem Krieg nahm der FC Bayern wieder eine erstaunliche Entwicklung. Wie Kurt Landauer, der nach der Befreiung ins „Land der Mörder“ seiner Geschwister zurückkehrte und sich versöhnte, haben 15 Prozent der ehemaligen Exilanten den Weg zum FB Bayern zurückgefunden. Der Verein schrieb seinen Mitgliedern die Jahre im Exil gut und hielt die Mitgliedschaft aufrecht.

Der Aufstieg und die Erfolge des FC Bayern, der Gewinn der Deutschen Meisterschaften überdeckte die Vergangenheit und ließ die Historie in Vergessenheit geraten. Im Jahr 2000 schnellte das Thema wieder in den öffentlichen Fokus. Im Rahmen der Zwangsarbeiterentschädigungs-Diskussion mussten sich plötzlich Firmen, Vereine und Verbände ihrer Vergangenheit stellen. 2003 berichtete das FC Bayern Magazin über den Meistertrainer von 1932. Auch er war Jude und musste ins Exil gehen. Der erste Schritt zur Aufarbeitung war getan.

Abschließend ging Wittner noch auf Willy Buisson ein. Dieser war das einzige Todesopfer, dass nicht jüdischen Glaubens war. Buisson war Sozialdemokrat und Vergnügungswart des Vereins. Er organisierte erstmals Automobil-Fanfahrten zu Auswärtsspielen und wird von der Fanszene noch heute verehrt. Er flüchtete 1933 in die Tschechoslowakei, ging in den Untergrund und arbeitete im Widerstand mit. Die in Neuern gedruckten Flugblätter und Propagandamaterialien gelangten bis nach Straubing. Als er 1938 über den Einmarsch der Wehrmacht in Österreich berichten wollte, wurde er auf der Heimfahrt in Linz erkannt, verhaftet und nach Berlin überstellt. Wegen Hochverrats – ihm wurde vorgeworfen, ein Attentat auf Hitler in Wien geplant zu haben – wurde er hingerichtet.

In seinem Abschiedsbrief, der nie von den Nazis seiner Familie übergeben wurde, schrieb Buisson, dass er in einem Deutschland, in dem es so weitergehe, nicht mehr leben wolle, erzählte Wittner weiter.

Sport ist Politik

Andreas Wittner erklärte abschließend, dass, egal ob im Kaiserreich, bei der Olympiade 1936, in Russland oder in Katar – der Sport immer schon politisch instrumentalisiert wurden. Auch heute positioniere sich der DFB gegen Rassismus und Antisemitismus – das sei Politik. Barbara Kasberger erinnerte in ihrem Schlusswort, dass die sogenannte Volksgemeinschaft der Nationalsozialisten sich nur über Ausgrenzungen definierte, und nichts Verbindendes hatte. Das viel zitierte „Nie wieder ist jetzt!“ bedeute nicht wegzusehen, nicht zu schweigen und schon gar nicht: „Das geh mich nichts an!“

 

Homepage SPD Geiselhöring

Google Kalender

120 Jahre BayernSPD

Testen Sie uns!

BayernSPD News

Mitentscheiden