Historischer Themennachmitag: Der Kleine Widerstand im Labertal

Veröffentlicht am 04.11.2012 in Veranstaltungen

Referent Albert Eichmeier (2.vli.) mit AK-Labertal-Sprecher Rainer Pasta, Kirstin Reiter (OV-Vorsitzende Langquaid), Madien Melzer (OV-Vorsitzende Schierling) und Marktrat Armin Buchner (von rechts).

„Ich werde die Hakenkreuzfahne mit Mörtel anwerfen und einmauern."
Albert Eichmeier referierte zum wiederholten Male zum „Kleinen Widerstand im Labertal“

Bereits zum zweiten Mal lud der SPD-Ortsverein Schierling zusammen mit dem Arbeitskreis Labertal im Rahmen der Vortragsreihe „Der Kleine Widerstand im Labertal" zum historischen Themennachmittag ins Gasthaus Aumeier ein. Referent Albert Eichmeier aus München, beleuchtete dabei wieder Geschichten von Menschen aus Schierling und Umgebung, die sich in der Nazizeit dem Regime widersetzten.

Albert Eichmeier recherchiert für den AK Labertal in Staats- und Bundesarchiven über Strafverfahren vor dem Sondergericht München gegen Bürger der Altlandkreise Rottenburg und Mallersdorf, die dem Nazi-Regime – wenn auch nur im Kleinen – Widerstand leisteten. In seinem Vortrag stellte er anhand von neuen Fällen dar, wie die nationalsozialistische Diktatur mit diesen kritischen Bürgern verfuhr. Dabei belegte der Referent seine Aussagen wie gewohnt mit Kopien der Originalakten, zitierte und erläuterte die Schriftstücke aus den einschlägigen Gerichtsakten. Eingangs berichtete Albert Eichmeier über die Tagebücher des Victor Klemperer, eines überlebenden Dresdner Juden, der sein Leben in Tagebüchern publizierte. U.a. auch die Rückkehr in den ersten Nachkriegstagen von München nach Dresden, bei der er das Labertal von Pfeffenhausen über Schierling und Eggmühl durchquerte.

Albert Eichmeier legte eingangs dar, welch tragende Rolle die vom NS-Regime eingesetzten Beamten wie Ortsgruppenleiter und Kreisleiter inne hatten. Hier gab es wohl nicht nur „scharfe Hunde", sondern evtl. auch welche, die die Menschlichkeit nicht ganz außer Acht ließen. In vielen „Entnazifizie¬rungsakten" lässt sich solches Verhalten herauszulesen – in wie weit es der Wahrheit entspricht müssten Zeugenaussagen noch lebender Zeitzeugen belegen. All zu oft wurden sogenannte „Persilscheine“ von Zeugen erpresst oder erkauft. So bei¬spielsweise im Falle des Schierlinger Ortsgruppenleiters Ludwig Konther, der den Akten zufolge mehrmals Gnade vor Recht ergehen ließ. Interessant hierzu die Aussage Eichmeiers, dass das Hitlerregime zu bestehenden Ämtern neue geschaffen hat. Dem Bürgermeister wurde der Ortsgruppenleiter, dem Landrat der Kreisleiter oder dem Regierungspräsidenten der Gauleiter zugeordnet. Nicht selten versuchten beide sich in Linientreue oder Aktionismus zu übertrumpfen. Sollte aber einer zu milde regieren, so konnte man sicher sein, dass sein Double entsprechende Härte an den Tag legte und das Terrorsystem so doppelt abgesichert war. Insbesondere der Kreisleiter des Landkreises Mallersdorf/Rottenburg, der Tierarzt und NS-Bürgermeister von Langquaid, Eduard Mendler, tat sich als politischer Aufpasser hervor, der schon mal einen Beschuldigten „reif für Dachau“ fand und nicht verhehlte, dass er Lust darauf hatte jemanden ins KZ zu bringen. Allein die Beschuldigungen und das anlaufende Verfahren brachte die Menschen in Not - wenn auch nur für eine oder zwei Wochen, als „Zuchthäusler“ oder „KZler“ war man im Dorf erledigt. Auch hatte die Gestapo, dann bei verdacht auf Rückfall, das Recht Menschen ohne Urteil in „Schutzhaft“ zu nehmen oder in den KZs verschwinden zu lassen.

Gleiches galt für die Gerichte. Hitler lies das Justizsystem unangetastet, richtete aber zusätzliche Sondergerichte ein. Besonders hervor tat sich hier der NS-Justizminister Dr. Gürtner, der bereits in der Weimarer Republik als Bayerischer Justizminister die milden Urteile gegen den putschenden Adolf Hitler fällte. Rechtliche Grundlage, um kritische Bürger mundtot zu machen, war das 1934 erlassene „Gesetz ge¬gen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen" kurz auch „Heimtückegesetz" genannt, das nach Meinung Eichmeiers ein „Freibrief für die Einschränkung der Meinungsfreiheit" war und der Denunziation alle Tore öffnete. So wurde z.B. der Wallfahrtspfarrer Berger aus Niederleierndorf vom damaligen Hauptlehrer angezeigt, weil er Plakate der Hitler-Jugend abgerissen hatte, die die Kinder aufforderten statt den Gottesdienst die HJ-Treffen zu besuchen. Ein Verfahren mit einer Akte von rund 100 Seiten war die Folge – der Pfarrer hatte aber Glück und blieb unbestraft.

Erstes Beispiel war Josef Loders, katholischer Hilfspfarrer in Schierling, der sich bei einer Predigt am 11. Juli 1937 in Mannsdorf kritisch über Berichte zu Sittlichkeitsverfehlungen in der Kirche äußerte und daraufhin angezeigt wurde. Allein 3000 Sonderakten aus dem NS-Kultusministerium gibt es zu „sittlichen Verfehlungen“ bayerischer Pfarrer. Loders zitierte aus einem Hirtenbrief des Bischofs von Berlin, dass nur 0,23 Prozent der Pfarrer angeklagt wurden, die Presse aber ständig über sittliche Verfehlungen der Pfarrer berichteten um die katholische Kirche zu verunglimpfen. Das Verfahren wegen „Kanzelmissbrauch“ hätte nicht nur den Verlist der Lehrerlaubnis (Religionsunterricht) bedeutet, sondern auch Gefängnisstrafe bedeutet. Der Anschluss Österreichs und die damit verbundene Amnestie retteten Loders vor dem Schöffengericht Landshut.

Im Falle des Maurermeisters Josef Bichleder zeigte der Referent auf, wie unliebsame Mitbürger kalt gestellt werden konnten. Nach mehrmaligem Auffallen (Verweigerung des Hitlergrusses, Grobheiten gegen Lehrlinge, Beschimpfung des Nazi-Bürgermeisters durch seine Frau...) wurde der Mauerermeister wohl in eine Falle gelockt. Josef Bichleder bekam den Auftrag zu einem Silobau in Zaitzkofen, obwohl er eigentlich schon „Arbeitsverbot“ hatte. Ausgerechnet zu Hitlers Geburtstag, am 20.April 1937, wo das angrenzende Wirtshaus aufwändig beflaggt war, sollte er mit ein zwei Hitler-Jungen das Silo aufmauern. Aus welcher Laune heraus auch immer, soll er gesagt haben: „Ich werde die Hakenkreuzfahne mit Mörtel an¬werfen und einmauern". Wochen später wurde dies dem Gemeindeschreiber in Eggmühl zugetragen und später dem Bürger¬meister von Pinkofen. Weitergemeldet an die Ortsgruppenleitung in Schierling wurde der Fall dann am 30. September aktenkundig, worauf Bichleder eine Vorladung Ende November erhielt. Über die Kreisleitung Rottenburg wurde der Fall dann ans Be¬zirksamt Mallersdorf gemeldet, woraufhin die Polizeistation Schierling Vernehmungsaufträge erhielt. Am 1. Januar 1938 wurden die Vernehmungen an das Bezirksamt Mallersdorf zurückgeleitet und von da an die geheime Staatspolizei nach Regensburg weitergemeldet. Hier wurde die Anzeige wegen Verstoß gegen das Heimtückegesetz ausgesprochen. Über die Staatsanwaltschaft Landshut kam der Fall schließlich am 26. Februar 1938 an das Sondergericht nach München. Josef Bichleder hatte – wie Josef Loders Glück – auch sein Verfahren wurde eingestellt, weil die Richter die beiden jugendlichen Zeugen nicht akzeptierten. Doch rund ein Jahr dauerte des verfahren gegen den Mauermeister Bichleder – sein berufliches und persönliches Ansehen war jedoch endgültig dahin.

Albert Eichmeier berichtete auch über den Schmiedemeister Grau aus Unterlaichling, der als Volkssturmführer dafür sorgte, dass seine 32 Mann nicht nach Schierling zu den ständigern Übungen mussten, sondern im heimischen Wirtshaus den Ernstfall proben konnten. Aus den Entnazifizierungsakten geht hervor, dass Grau die Anweisungen zum Aushaben von Schützenlöchern und den Bau von Panzersperren entsprechend ernst nahm und lieber im Wirtshaus blieb. Auch die Tatsache, dass der Schierlinger Volkssturm seine Waffen und Gerät in Unterlaichling abgegeben hatten, weil in Schierling die „weiße Zone“ um die MUNA wegen der Übereinkunft der Amerikaner mit der deutschen Wehrmacht „waffenfrei“ bleiben musste, spricht für Grau – alles soll auf seine Anweisung in Unterlaichling vergraben worden sein. Außerdem wurde Grau nach dem Krieg zu Gute gehalten, dass er bis zum März 1938 mit jüdischen Geschäften, u.a. in Regensburg weiterhin Geschäfte machte und dies durch entsprechende Rechnungen belegen konnte.

SPD Ortsvereinsvorsitzende Madien Melzer, dankte dem Referenten für die interessanten Einblicke in seinem Vortrag und betonte, dass es gestern wie heute wichtig sei, Zivilcourage zu zeigen. Sie sprach sich auch gegen Stimmen aus „diese längst vergangenen Geschichten ruhen zu lassen", weil es nach Meinung des Ortsvereins und des Arbeitskreises wichtig sei, den eher unbekannten Widerständlern mit dieser Vortragsreihe ein Denkmal zu setzen.

 

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