Netzpolitisches Gespräch in Hohenthann mit Doris Aschenbrenner

Veröffentlicht am 13.07.2013 in Veranstaltungen

Informieren sich über die aktuelle Förderpraxis beim Breitbandausbau bei Michael Räbinger (2.v.re.): Peter Stranninger (li.), Ruth Müller (2.v.li.), Doris Aschenbrenner (Mitte) und Bernd Vilsmeier (re.)

19 lange Schritte zum schnellen Internet
Antragstellung ohne externe Hilfe für eine Kommune kaum machbar – CSU hat keine Visionen für die Zukunft

Im Rathaus von Hohenthann trafen sich am vergangenen Mittwoch die SPD-Direktkandidaten zur Landtagswahl Ruth Müller (LA), Bernd Vilsmeier (DGF-La) und Peter Stranninger (SR-Bog) mit der netzpolitischen Sprecherin der BayernSPD, Doris Aschenbrenner und Kommunalberater Michael Räbiger. 50 Megabit für alle soll es schon in den nächsten Jahren geben, verspricht das bayerische Wirtschaftsministerium. Doch hohe Kosten und zu viele bürokratische Hürden dämpfen die Erwartungen. Michael Räbiger, Breitbandpate der Gemeinde Hohenthann, brachte Licht in den Förderdschungel und die Kommunalpolitiker erinnerten an die Fehleinschätzung des damaligen niederbayerischen Wirtschaftsministers Erwin Huber, der meinte: „Das regelt alles der Markt“ .

Eingangs stellte 1. Bürgermeister Peter Dreier (FW) die bisherigen Initiativen der Gemeinde Hohenthann beim Breitbandausbau vor und sieht seine Gemeinde in einer glücklichen Lage. Durch gezielte Investitionen und Maßnahmen kommunaler Zusammenarbeit konnte der Erschließungsgrad deutlich erhöht werden. Dreier verwies aber auf viele BGM-Kollegen, die bisher abgewartet hätten und sich nun mit einem neuen Förderprogramm herum schlagen müssten, dass er als „Bürokratiemonster“ bezeichnete. Er warf der Staatsregierung vor, den ländlichen Raum in seiner Entwicklung zu behindern. „Viele Gemeinden wollen die Breitbanderschließung schnellstmöglich realisieren, denn nach wie vor stehen in vielen Gegenden keine Breitbandanschlüsse zur Verfügung, besonders in den Ortsteilen sei die Versorgung nicht zufriedenstellend, sagte Ruth Müller in ihrer Begrüßung. „Die Breitbandversorgung gehört heute zu den wichtigsten Infrastrukturvoraussetzungen für wirtschaftliche Stabilität und Wachstum. Die Gemeinden sind hier mit großen Erwartungen seitens der Wirtschaft und der Bürger konfrontiert“, stellte Doris Aschenbrenner in ihrem Eingangsstatement fest. „Die Kommunen sehen sich somit weiterhin mit Aufgaben konfrontiert, die nicht zu ihren Kernkompetenzen zählen und für die sie trotzdem zusätzliche Mittel aufbringen sollen“, bestätigte Peter Stranninger.

Das erste Förderprogramm zum Breibandausbau sei viel zu gering ausgestattet gewesen und endete im Dezember 2011 – es folgte eine förderlose Zeit bis zum Frühjahr 2013, was zu einer starken Verunsicherung der Kommunen und Anbieter führte, weil es keinen gültigen Rechtsrahmen gab, der eine öffentliche Förderung zulies, so Michael Räbiger zu Beginn seiner Ausführungen. „Auf den ersten Blick scheint die Breitbandversorgung im Freistaat ja recht gut zu sein. In größeren Städten und strukturstarken Gebieten sind bereits 95 Prozent der Haushalte mit Internetverbindungen von über 50 Megabit versorgt. Doch abseits dieser Ballungszentren kommen häufig weniger als 10 Prozent der Haushalte in den Genuss einer Breitbandverbindung, wie unter anderem aus dem Breitbandatlas des Bundeswirtschaftsministeriums hervorgeht. Und das ist deutlich zu wenig“, ergänzte Doris Aschenbrenner.

In 19 Schritten zum Erfolg
Der Freistaat Bayern beabsichtige nun, den sukzessiven Aufbau von hochleistungsfähigen Breitbandnetzen in Gewerbe- und Kumulationsgebieten mit Übertragungsraten von mindestens 50 Mbit/s im Downstream und mindestens 2 Mbit/s im Upstream zu fördern – dafür seien zusammen mit den Kommunen zwei Mrd. Euro für die nächsten sieben Jahre eingeplant. „Hierzu sind gemäß Förderrichtlinie verschiedene Verfahrensschritte nötig. Zu Beginn steht die Feststellung des Bedarfes nach Hochgeschwindigkeitsinternet in den definierten Erschließungsgebieten. In 19 Schritten geht es über die Markterkundung bis hin zur Realisierung. Dabei will das Wirtschaftsministerium zunächst besonders Gebiete im ländlichen Raum fördern, in denen Unternehmen angesiedelt sind, die eine gute Anbindung brauchen. Besteht ein Ausbaubedarf, sollen grundsätzlich alle Anschlussinhaber im Erschließungsgebiet mit den oben genannten Bandbreiten versorgt werden“, so Räbiger. Als erwünschter Nebeneffekt würden dabei auch weiterer Anschlussinhaber wie Privathaushalte, Telearbeitsplätze, kommunale Einrichtungen, Schulen und Behörden auch unterhalb einer Übertragungsrate von 50 Mbit/s im Downstream erschlossen werden.

Hier setzte die Kritik der netzpolitischen Sprecherin der BayernSPD an. „Gefördert wird nur der Bedarf von Unternehmen. Ich finde, dass alle Menschen die Möglichkeit haben sollten, an der digitalen Gesellschaft teilzuhaben. Internet ist ein Bestandteil der Daseinsvorsorge und damit originäre Aufgabe des Staates. Wenn Unternehmen nur noch online-Bewerbungen akzeptieren, dann darf es andererseits keine „noliner“ geben“. Doris Aschenbrenner fürchtet weiter, dass die ausgelobten Mittel bei weitem nicht ausreichen werden, weil der bedarf weiter stark steigen werde. „Was keiner abschätzen kann, sind die nächsten Innovationssprünge, die weitere Übertragungsleistungen fordern werden – Ich nenne hier nur die inzwischen zur Serienreife gelangten 3D-Drucker, die vor allem für die mittelständischen Betriebe einen Technologiesprung bedeuten werden – aber auch ein Vielfaches an Datenübertragungsleistung im Netz brauchen!“

Öffentliche Gelder für die "Deckungslücke der Unternehmen"
Da sich für viele Netzbetreiber der Ausbau von Breitbandnetzen im ländlichen Raum schlicht nicht lohne, tue sich in strukturschwachen Regionen häufig eine Versorgungs- beziehungsweise Wirtschaftlichkeitslücke auf, die eine Gemeinde zuzahlen müsse, um die erforderliche Breitbandversorgung zu erhalten, stellte Räbiger weiter fest. „Der Freistaat Bayern will die Unternehmen dafür mit öffentlichen Geldern ‚entschädigen’ – aber so einfach ist das zu Recht nicht! Die bürokratischen Hürden sind den strengen Vorschriften aus Brüssel geschuldet, die die Weitergabe öffentlicher Gelder an Wirtschaftsunternehmen strengen Regeln unterworfen hat“, so Räbiger. Die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen und absolute Transparenz bei der Vergabe der öffentlichen Gelder seien nachvollziehbar und wichtig.
Der Kommunalberater verwies auf die kostenlose Einstiegsberatung des Freistaates, bescheinigte der ausführenden Firma aber „Defizite“. Deren Aufgabe liege einzig und allein darin, möglichst viele Kommunen in das Förderprogramm zu drängen, um die Breitbandinitiative der Regierung gut da stehen zu lassen. Aber zu viele Arbeitsschritte, Anträge und Berichte seien als Voraussetzung erforderlich, die ohne einen Experten nicht zu bewerkstelligen seien, so Räbinger weiter. „Von den inzwischen rund 90 ‚akquirierten’ Gemeinden seien bis jetzt lediglich drei über den ersten der 19 Schritte hinausgekommen. Viele scheitern schon an der Darstellung der vorhandenen Telekommunikationsinfrastruktur.“

Räbiger: „Wenn eine Gemeinde nun mit der Antragstellung beginnt und alles schnell geht, ist die Anlage frühestens in zwei Jahren fertig“. Eine nicht zu unterschätzende Hürde bestehe darin, dass den Kommunen von zahlreichen Anbietern unterschiedlichste Technologien empfohlen werden. Dies führe zu einer unübersichtlichen Marktsituation. Das Bild sei geprägt durch die wirtschaftlichen Einzelinteressen der Anbieter von Technologie und der Netzbetreiber. Von zahlreichen Seiten werde, je nach der Interessenslage des Anbieters, mal eine Kabellösung, mal ein Funkkonzept propagiert. „Die Angebote der Netzbetreiber müssen einer neutralen technischen und wirtschaftlichen Bewertung unterzogen werden. Diese Angebotsbewertung dient als Entscheidungshilfe bei der Vergabe und liefert die fundierte Begründung bei der Vergabeentscheidung gegenüber dem Fördermittelgeber“, so Räbiger. Der Kommunalberater hofft, dass zumindest die Förderung reibungsloser erfolgen werde, wenn sich die Förderstellen eingearbeitet hätten – derzeit knirsche es in der Abstimmung zwischen Beraterfirma, Förderstelle und Wirtschaftsministerium noch gewaltig.

Funknetz taugt nur bedingt als Alternative
Die neuen Funktechnologien UMTS HSPA und LTE, könnten zur Erschließung einen Beitrag leisten, jedoch seien damit die Probleme speziell für den ländlichen Raum noch lange nicht zu meistern. Da alle Funktechniken ein „Shared Medium“ (mit der Anzahl der Teilnehmer sinkt die Bandbreite für jeden einzelnen Teilnehmer) seien, stellten sie für eine flächendeckende Breitbandversorgung für sich allein genommen nur für wenige Bereiche eine zufriedenstellende Lösung dar. Außerdem müssten die wachsende Mobilfunk- und WLAN-Angebote abgedeckt werden. Hinzu komme die zunehmende Ablehnung der Bevölkerung für neue Sendemasten. „Glasfasernetze bis zum Kunden sind mit ungeheuren Investitionen (40 - 60 Mrd €) verbunden, so dass ein Technologiemix wohl eine finanzierbare Lösung darstellen könnte“, erklärte Bernd Vilsmeier, der im Anschlusstermin die Teilnehmer nach Mengkofen einlud, wo gerade eine Erschließung der Außenbereiche geplant ist.

Zur Person: Michael Räbiger beendete im Jahr 1978 erfolgreich sein Studium der Nachrichtentechnik an einer hessischen Fachhochschule. Seine fachlichen Schwerpunkte in einem internationalen Telekommunikationskonzern lagen in den Bereichen, Erwachsenenbildung, Technischer Service, Konzerninternes Consulting (Prozessevaluierung, Personalentwicklung, Veränderungsmanagement), sowie Marketing im Segment Geschäftskunden. Neben diesen hauptberuflichen Tätigkeiten wirkt Räbiger als Lehrbeauftragter der Hochschule Landshut im Fachbereich Betriebswirtschaft, Studienschwerpunkt Marketing und Vertrieb. Schwerpunkte seiner heutigen Tätigkeit sind die Begleitung von Kommunen bei der Realisierung des Breitbandausbaus in ländlichen Gebieten, sowie Marketing und Personaltraining im unternehmerischen und politischen Bereich. Kontakt: Michael Räbiger, Tel: 08784 666 Mail: webmaster@84098-hohenthann.de

 

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