Wanderausstellung "Schuld & Sühne?" - Auftaktveranstaltung

Veröffentlicht am 04.10.2016 in Veranstaltungen

Eröffneten die Ausstellung „Schuld & Sühne?“ im Johannes-Nepomuk-Gymnasiums in Rohr: (v.li.) SPD-Ortsvorsitzender Georg Riedl, der Leiter des Staatsarchivs München Dr. Christoph Bachmann, die AK Labertal-Sprecher Rainer Pasta und Karin Hagendorn, die Bürgermeister Andreas Rumpel und Birgit Steinsdorfer mit Schulleiter Franz Lang und einigen Schülerinnen.

NS-Gewaltverbrechen: Fast alle Täter kamen ungestraft davon“

Ausstellung im Johannes-Nepomuk-Gymnasium Rohr erinnert an die juristische Aufarbeitung der Nazi-Gewaltverbrechen

Die Wanderausstellung „Schuld & Sühne?“, eine eindrucksvolle Präsentation des Staatsarchivs München zu den Ermittlungen und Strafverfahren wegen Nationalsozialistischer Gewaltverbrechen in Bayern, startet im Johannes-Nepomuk-Gymnasiums in Rohr. Bei der Eröffnungsveranstaltung am Montag im Prager Saal fesselte Dr. Christoph Bachmann, Leiter des Staatsarchivs Münchens, die Schülerinnen und Schüler der 11. Klassen mit seinem ansprechenden Fachvortrag. Die Ausstellung, vermittelt und begleitet vom SPD-Arbeitskreis Labertal, bleibt bis Freitag den 7. Oktober im Gymnasium Rohr und kann täglich von 8 bis 17 Uhr besichtigt werden. Am Donnerstag-Abend lädt der SPD-Ortsverein um 19 Uhr die Bevölkerung zum Ausstellungsrundgang ein.

„Unmittelbar nach Kriegsende begannen die Alliierten mit der Verfolgung der NS- Kriegsverbrecher und hatten innerhalb von zwei Jahren bis 1947 bereits 20.000 Personen als Verdächtige erfasst“, blickte Dr. Christoph Bachmann, Leiter des Staatsarchivs Münchens, in seinem Fachvortrag in die Vergangenheit zurück. Im November 1945 begannen die Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg. „Es wurden Todesstrafen und lebenslängliche Haftstrafen ausgesprochen, 50.000 NS-Täter wurden abgeurteilt aber nach dem Gnadenerlass von US- Hochkommissar John Mc Clay am 31. Januar 1951 wurden fast alle Angehörigen von NS- Führungsgruppen aus Landsberg/L. entlassen“, überraschte Bachmann seine Zuhörer. Das Straffreiheitsgesetz (Amnestiegesetz) vom 17. Juli 1954 entlastete viele und stellte sie als Handlanger und Befehlsempfänger des NS- Regimes hin, die nur ihre Pflicht erfüllt hatten und sich somit selbst in einem gewissen Maße als Opfer sahen. „Man wollte einen Schlussstrich unter diese schreckliche Vergangenheit setzen und hoffte damit auf einen Neuanfang. Aus Politik und Justiz hatte man kein großes Interesse an weiterer Strafverfolgung, zumal viele Akteure NS-belastet waren“, stellte Bachmann deutlich heraus.

Politik und Justiz hatte kein großes Interesse an der Strafverfolgung

Erst 1958 also 13 Jahre nach Kriegsende sei die „Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltung zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ eingerichtet worden. Darüber hinaus konnten jetzt Ermittlungsbehörden und Gerichte in Eigenregie Straftaten mit nationalsozialistischem Hintergrund verhandeln und strafen, was in den Archivakten umfassend dokumentiert ist.  „Sie versucht auch heute noch hochbetagte lebende SS- Veteranen vor Gericht zu stellen. Der bekannteste Fall in den letzten Jahren war der gegen John Demjanuk“, so Bachmann.

Das menschliche Leid und die Zerstörungen, die das Nazi-Regime angerichtet hat, sind ohne Beispiel. Die Frage nach der Verantwortung sowie nach Schuld und Sühne beschäftigt Bachmann seit vielen Jahren, auch weil er bei seinen Recherchen im Archiv auf so viele bewegende Schicksale stieß. Der Leiter des Staatsarchivs München hat Tausende Verfahrensakten und Massen von Unterlagen zu NS-Verbrechen gesichtet. Aus dieser Fülle hat er einige Strafprozesse ausgewählt, die herausragen. Deren Zeugenaussagen, Fotos und sonstiges Material werden nun in einer Wanderausstellung präsentiert, die einen außergewöhnlichen Einblick in die Verfolgung der NS-Verbrechen durch oberbayerische Justizbehörden gewährt – dabei aber die Problematik der unzureichenden Sühne nicht verschweigt.

Nur wenige hundert Verurteilte

Die Ausstellung soll laut Bachmann nicht zuletzt den Aufwand belegen, der nötig war, um einen Kriegsverbrecher anzuklagen. Dabei stellte Bachmann fest, dass viel Arbeit hineingesteckt, aber wenig Ertrag geerntet wurde. Nicht umsonst stehe hinter dem Ausstellungstitel "Schuld und Sühne?" ein Fragezeichen. Es gab Millionen Opfer, etwa 100 000 Ermittlungsverfahren und wenige hundert Verurteilte. Etwa 95 Prozent aller NS-Verfahren, die durch oberbayerische Justizbehörden geführt worden sind, seien eingestellt worden, sagt Bachmann.

„Die Bedeutung der Verfahren wegen nationalsozialistischer Verbrechen ist mit Blick auf Sühne und Vergeltung negativ zu bewerten“, so Bachmann. Das Gewicht liege somit mehr auf einer pädagogischen Stufe. "Die Auseinandersetzung mit staatlich angeordneten Gewaltverbrechen nützte der Entwicklung einer demokratischen politischen Kultur, die ihrer diktatorischen Ausgangspunkte eingedenk bleibt", fasste Bachmann zusammen und verwies auf den dadurch angesammelten Archivbestand, der die Umstände vieler Verbrechen dokumentierte, die ansonsten der Vergessenheit überlassen worden wären.

Die Ausstellung des Staatsarchivs München gibt einen Einblick in die Verfahrensabläufe vor Gericht und stellt einige Prozesse vor, die aus der Masse der Strafverfahren herausragen. Ein Abschnitt der Ausstellung widmet sich den Verbrechen im Konzentrationslager Dachau, deren juristische Aufarbeitung ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft München II fiel. Es werden zum Beispiel die den Strafverfahren zu entnehmenden Fakten zu den Phlegmone- und Malariaversuchen und den Unterdruck- und Kaltwasserversuchen von Dr. Sigmund Rascher vorgestellt.

Ausgewählte Bespiele auf aussagekräftigen Schautafeln

Ein weiterer Abschnitt widmet sich den Verfahren zu NS-Gewaltverbrechen, deren Überlieferung man nicht unbedingt in den Beständen des für Oberbayern zuständigen Staatsarchivs vermuten würde. Sie betreffen den Tod von prominenten Häftlingen wie der Ordensschwester Edith Stein und dem Tischler Georg Elser, der 1939 im Münchner Bürgerbräukeller ein Bombenattentat auf Hitler verübt hatte, das dieser nur knapp überlebte. Spannend ist der Fall des russischen Artillerieoffiziers Jakob Iossifowitsch Dschugaschwili, der im Juli 1941 bei Witebsk in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten war. 1943 kam Dschugaschwili, ältester Sohn von Josef Stalin, im KZ Sachsenhausen zu Tode, ein Posten soll ihn unter ungeklärten Umständen erschossen haben.

Die extra für die Ausstellung im Labertal aus Niederbayern aufgenommenen Fälle betreffen Cäcilie Wühr, Josef Fritz, Ottilie Meindl und Nikolaj Sanian aus Drachselsried/Viechtach sowie Agnes Schober aus Regen und die KZ-Nebenlager Passau I (Oberilzmühle) und Passau II. Um die regionale Komponente in die Ausstellung einzubringen hat der AK Labertal die zwölf Ausstellungstafeln des Bayerischen Staatsarchivs um zwei weitere Tafeln ergänzt: Die Standgerichtsprozesse zur Ermordung von Domprediger Johann Maier, Regensburg;  Regierungsrat Dr. Franz Seiff, Landshut ,sowie Friedrich Beutlhauser und Alois Huber, Ittling, aber auch die fehlende gerichtliche Aufarbeitung zu den Vorkommnissen im Polenkinderlager Laberweinting und die Entnazifizierung werden thematisiert.

Die Ausstellung bleibt bis Freitag den 7. Oktober im Gymnasium Rohr, anschließend wandert die Ausstellung weiter nach Neustadt, Ergoldsbach, Aufhausen, Rottenburg, Straubing, Pfaffenberg und Geiselhöring.

 

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