„Wegschauen geht nicht mehr!“

Veröffentlicht am 28.10.2014 in Veranstaltungen

Die Niederbayern-Gruppe bei der Bundesversammlung der Seliger-Gemeinde: MdB Rita Hagl-Kehl (Mitte), Karin Hagendorn (2.v.re.), Rainer Pasta (2.v.l.) mit den Betreuern der im Labertal gezeigten Seliger-Ausstellung Karl Garscha (re) und Gustl Roth (li).

 

Der AK Labertal bei der Bundesversammlung der Seliger-Gemeinde
Rechtsextremismus in Tschechien mit der Situation in Deutschland vergleichbar

Karin Hagendorn und Rainer Pasta vertraten als Mitglieder der Seliger-Gemeinde den SPD-Arbeitskreis Labertal bei deren Bundesversammlung am 24.-26. Oktober in Bad Alexandersbad. Neben dem Rechtsextremismus in Tschechien standen vor allem der Blick auf die nachbarschaftlichen Beziehungen auf dem Programm. Mehrmals wurde die Bitte an die Labertaler herangetragen, durch ihre raumübergreifende Tätigkeit die ruhenden Gruppierungen in Regensburg, Straubing und neuerdings Passau evtl. in einer neu zu bildenden Donau-Allianz wiederzubeleben. „Gerade im Grenzbereich Bayern-Tschechien muss die Seliger-Gemeinde ein Teil der Sozialdemokratischen Familie bleiben“, so Bundesvorsitzender Helmut Eikam.

In seiner Begrüßung dankte Seliger-Präsident Dr. Helmut Eikam den aus dem ganzen Bundesgebiet und dem europäischen Ausland angereisten Mitgliedern für ihr Kommen und die Aufrechterhaltung der „Treuegemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten“ im In- und Ausland. Er erinnerte an die rund 400.000 Sudetendeutschen, die 1938 keineswegs die Hand zum „Sieg Heil“ hoben, wie der Rest der 3,2 Mrd. Landsleute, als Hitlers Wehrmacht im Sudetenland einmarschierte. Schon vorher hatten die tschechischen und sudetendeutschen Sozialdemokraten den geflohenen bayerischen Genossen geholfen und im Widerstand unterstützt. Eikam zitierte die Flugblätter und Reden des damaligen Vorsitzenden der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (DSAP) und stellte seine Worte auf eine Ebene mit den berühmten Reden von Otto Wels im Reichstag und Albert Roßhaupter im bayerischen Landtag. „Mitbürger! Es geht um alles! [...] In einer gewaltsamen Entscheidung wird wieder eine waffenstarrende Welt gegen das deutsche Volk aufstehen. Die Sudetendeutschen werden das erste Schlachtopfer sein. Ihre Heimat würde im Zusammenprall der Weltkräfte vernichtet, ihre Zukunft ausgelöscht“, so die Worte Wenzel Jaksch`s die sich entsetzlich bewahrheiteten. Doch bevor es 1945/46 zur Vertreibung der Sudetendeutschen kam, hatten bereits 1938 die Funktionäre der DSAP mit ihren Familien das Land verlassen müssen. Die rund 2500 Menschen wurden in alle Winde zerstreut – so gibt es heute noch Seliger-Gemeinden in Schweden und Kanada. Wie richtig sie mit ihrer Flucht lagen, beweist die Tatsache, dass nach der Machtergreifung von den 90.000 Mitgliedern der DSAP rund ein Drittel (ca. 30.000) im KZ oder im Gefängnis landeten – die Parteiführung agierte derweil aus dem Ausland und half bei den Auswanderungen, wo es nur ging.

Da passte es, dass das an die Bundesversammlung anschließende Seminar unter dem Titel „Die Deutsch-Tschechischen Beziehungen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ lautete und mit hochkarätigen Referenten bestückt war. Peter Barton, Leiter des Sudetendeutschen Büros in Prag, Jirí Cistecky, Mitarbeiter des tschechischen Außenministeriums, und die Journalistin Monika Horákova berichteten aus ihren Erfahrungen zum Rechtsextremismus in Tschechien.

„Sündenböcke“ für die eigene Unzufriedenheit

Ähnlich wie in Deutschland spielt der parlamentarische Rechtsextremismus in Tschechien eine untergeordnete Rolle. Die extremen Parteien bekämen nur geringe Unterstützung, wo hingegen die rechtsorientierten Protestparteien wie ANO (Aktion unzufriedener Bürger) und Usvit (Morgendämmerung der direkten Demokratie – hier hat die Partei um den Tschechisch-Japaner Tomia Okamury nur 8 Mitglieder aber 14 Abgeordnete im Parlament!) gerne die Stammtischparolen, vor allem gegen die Volksgruppe der Sinti und Roma, für ihre Zwecke nutzten. Insbesondere Monika Horákova ging auf die Beweggründe der in der Bevölkerung militant vorhandenen Fremdenfeindlichkeit ein. Sie bekräftigte die durch die Ergebnisse ihrer Arbeit untermauerte These, dass viele Tschechen gar keinen persönlichen Erlebnishorizont im Umgang mit Sinti und Roma haben, diese aber als „Sündenböcke“ für ihre eigene Unzufriedenheit verantwortlich machten. Für sie liegt der Ansatz gegen Fremdenhass und Ausgrenzung in der Aufgabe der Politik, „Lösungen für Frustrationen der Bevölkerung anzubieten und diese in einfacher Sprache zu kommunizieren“. Ähnlich verhalte es sich auch in Bayern, so das Ergebnis der anschließenden Diskussion: Auch hier hätten nur wenige Bürger direkten Kontakt mit den durch Stammtischparolen und Anfeindungen ausgegrenzte Volksgruppen – und die Politik ist oft nicht problemorientiert und schwer nur verständlich.

„Wenn nicht ihr, wer dann?“

Europaabgeordnete Maria Noichl ging in Ihrem Referat auf den wachsenden Rechtsextremismus in Europa ein. „Das ist jeden Tag Thema in Brüssel und Straßburg. Rechtsextreme gibt es nicht nur auf den Straßen Europas, sondern auch im EU-Parlament und der Kommission“, berichtet Noichl. Große Ratlosigkeit herrsche immer noch im Europa-Parlament, wie man mit den aus verschiedenen Ländern stammenden rechtsextremen Gruppierungen umgehen solle. Selbst EU-Kommissare gehörten rechten Gruppierungen an. Angesichts der derzeitigen Situation mit immer mehr aufkeimendem Fremdenhass und Ausgrenzungen in vielen europäischen Ländern meinte Noichl: „Wegschauen geht nicht mehr!“ und wandte sich an die Seliger-Gemeinde mit den Worten: „Die Sudetendeutschen wissen was Flucht und Vertreibung bedeutet und dass man dagegen aufstehen muss – wenn nicht ihr, wer dann?“

Deutsch-tschechischer Zukunftsfonds für weitere 10 Jahre gesichert

Präsident Albrecht Schläger stellte anschließend den deutsch-tschechischen Zukunftsfonds vor und bestätigte, dass die deutsche und tschechische Regierung die Mittel für weitere 10 Jahre zur Verfügung stellen werde. Neben dem Jugend- und Schüleraustausch, der in Grenznähe auch auf Kindergärten ausgeweitet wurde, gebe es viele Kulturförderungen bis hin zur Denkmalpflege. Aber auch Partnerschaften und Stipendien für Studenten unterstützt der Zukunftsfonds mit maximal 50%, bei den Themen des Jahres (z.B. Drogen, Rechtsextremismus…) bis zu 70% der Antragssumme.

 

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